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B L O G :

2016-07-22

MZIN NEWS: FORM #266 — MAN/MACHINE (D)

Situation.

Die deutsche Bundesregierung hat beschlossen: Käufer von akkubetriebenen Pkws erhalten eine Barprämie in Höhe von 4.000 Euro. Damit ist der Autolobby nach der 2009 eingeführten Abwrackprämie ein weiterer großer Coup gelungen. Denn, was vordergründig als Maßnahme für die Umwelt erscheint, entpuppt sich schnell als Handeln in eigener Sache. Schenkte man den Käufern statt der Geldprämie – zum Beispiel – ein E-Bike oder eine Bahn-Card, nähme man den Protagonisten vielleicht ab, dass es ihnen nicht nur um ein marketingwirksames „Umparken im Kopf“ (Opel), sondern um ein grundsätzliches Umdenken geht. Jedoch: beim Abwracken stand nicht die Verringerung des CO2-Ausstoßes im Vordergrund, bei ihren Carsharing-Initiativen ist Automobilherstellern und etablierten Politikern der Sharing-Gedanke sekundär, und nun, bei der E-Prämie, geht es ihnen nicht um Elektromobilität per se. Es geht um Besitzstandswahrung, auf dass Kunden beziehungsweise Wähler erst gar nicht auf andere Gedanken kommen – wie denn de facto eine CO2-Verringerung zu erreichen sei oder welchen Qualitätssprung tatsächliches Sharing und eine nicht ausschließlich auf das Auto fokussierte (E-)Mobilität bedeuten würden.


Design.

Mit dieser Haltung befinden sich diese Industrie- und Politikvertreter im Widerspruch zum Design, dessen eine entscheidende Prämisse es nun gerade ist, Menschen auf andere Gedanken zu bringen, um Entwicklung, die den Namen auch verdient, voranzutreiben. Dies kann auch mit kleinen Projekten gelingen, etwa der Neuinterpretation von Vertrautem wie der Geometrie von Drachen, Schmuck, Schaumstoffen und Bodenbelägen oder auch mit der ungewohnten, nicht visuellen Betrachtung des Designs mittels Podcasts; und ebenso klappt dies mit größeren Veränderungen, die beispielsweise durch den 3D-Druck hervorgerufen werden. Wir halten, wenn es um die Einordnung von (gedanklichen) Umbrüchen geht, historische Betrachtungen, siehe die Beiträge über Peter Behrens, Saša J. Mächtig oder Alexander Girard, für ebenso relevant wie die Porträts zeitgenössischer Designbüros, in dieser Ausgabe die Studios Barca aus São Paulo oder Irradié der Brüder Laurent und Alain Vonck im Rahmen ihres Carte Blanche-Beitrags.


Kontext.

Um die Notwendigkeit eines anderen, kreativen Denkens geht es auch in unserem Schwerpunktthema Mensch und Maschine, für dessen Covermotiv wir uns herzlich bei Grégoire A. Meyer bedanken. Man mag der Tatsache keine große Bedeutung mehr beimessen, wenn Menschen beim Schach- oder Go-Spiel gegen intelligente Systeme chancenlos sind. Wir täten aber gut daran, uns unseres eigenen Verstandes zu erinnern und zu bedienen, wenn, wie kürzlich geschehen, selbst Künstliche-Intelligenz-Forscher vor künstlicher Intelligenz – etwa in Gestalt autonomer Waffensysteme – warnen.
Wir sollten in diesem Zusammenhang vorbereitet sein, wenn irgendein Lobbyverband – zum Beispiel – eine Barprämie für diejenigen durchzufechten gedenkt, die sich lieber dubiosen Community-Regeln unterordnen als eine demokratische Verfassung mit Leben zu füllen.



--- euro 16.90